Gaza-Krieg – Haltbare Vorwürfe
Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, dass das israelische Vorgehen in Gaza eine rechtliche Überprüfung verlangt. Das stellt auch die Haltung der Bundesregierung vor Herausforderungen. Gespräch mit dem Völkerrechtsexperten beim ECCHR, Andreas Schüller.
medico: Südafrika hat einen Antrag gegen Israel wegen Verstoßes gegen die Völkermordkonvention beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. Jetzt hat der Gerichtshof den Antrag akzeptiert, seine Zuständigkeit erklärt und außerdem eine Reihe von Maßnahmen erlassen. Wie bewertest Du das Geschehen in Den Haag?
Andreas Schüller: Der Gerichtshof hat angeordnet, dass Israel alles in seiner Macht Stehende tun muss, um sicherzustellen, dass es in Gaza keine Handlungen begeht, die von der Völkermordkonvention geächtet werden. Ich werte das als eine klare Kritik an der offenkundig exzessiven Gewalt der israelischen Armee. Darüber hinaus hat das Gericht Israel verpflichtet, seine militärischen Operationen in Hinblick auf die Verletzung von Rechten aus der Genozid-Konvention zu überprüfen und einen monatlichen Bericht, man kann es auch einen Rapport nennen, an den Gerichtshof zu schicken. Auch das ist nicht selbstverständlich und zeigt, in welch hohem Maße beunruhigt das Gericht ist; etwa über die vorliegenden Berichte der UN-Hilfswerke aus Gaza, die ja auch umfänglich zitiert wurden.
Richtig ist, dass das Gericht, anders als im Fall des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, keinen sofortigen Waffenstillstand verlangt hat. Damals hat Den Haag Russland ultimativ dazu aufgefordert – was in Moskau natürlich ignoriert wurde. Dennoch kann man die heutige Entscheidung auch so interpretieren: Wenn Israel alle rechtlich bindenden Entscheidungen des Gerichts bezüglich der humanitären Versorgung und des Schutzes der Zivilbevölkerung respektieren will, muss es seine Kampfhandlungen deutlich und massiv einschränken und eine Waffenruhe erklären.
Wichtig ist zu verstehen, dass in der Hauptsache des möglichen Verstoßes gegen die Völkermord-Konvention zwar nichts entschieden wurde, der südafrikanische Antrag allerdings angenommen wurde. Das ist, im besonderen Falle Israels, alles andere als selbstverständlich…
Hier der vollständige Beitrag – medico international – 26.01.2024