Fast sechs Monate nach Beginn des Gazakrieges scheint ein Ende in weiterer Ferne denn je. Die regionalen Entwicklungen deuten zunehmend auf Sturm. Der israelische Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus – in Missachtung aller diplomatischer Gepflogenheiten – markiert einen neuerlichen Eskalationshöhepunkt, der Vergeltung geradezu herausfordert. Kann ein Flächenbrand mit ungewissen Folgen noch verhindert werden?

Je nach Lesart ist das Glas nach sechs Monaten Krieg halbvoll oder halbleer. In der halbvollen Version ist es der Hegemonialmacht USA gelungen, den heißen Konflikt zwischen Israel und der radikalislamistischen Hamas auf Gaza begrenzt zu halten. Trotz erheblichen öffentlichen Drucks und einer sich verschärfenden Rhetorik sind die israelisch-arabischen Friedensabkommen weiter intakt. Die Kommunikation zwischen Washington und Teheran ist so intensiv wie seit Jahren nicht mehr: Beide Seiten versichern sich, keinen großen Regionalkrieg zu wollen. Auch Irans langjähriger Rivale um die Vorherrschaft im Nahen Osten, Saudi-Arabien, unternimmt alles, um im Bermudadreieck zwischen Teheran, Tel-Aviv und Washington darauf hinzuwirken, dass Gaza die ganze Region nicht in den Abgrund stürzt. Katar und Ägypten vermitteln zwischen Israel und der Hamas. Keiner will den Krieg, so scheint es. Und doch rückt er womöglich näher.

Die pessimistische Lesart beschreibt eine Eskalation in Zeitlupe, an deren Ende unvermeidlich eine Ausweitung der Kampfzone steht. Nach dieser hat die amerikanische Pendeldiplomatie wenig gebracht. Die Auseinandersetzungen an der israelisch-libanesischen Demarkationslinie haben sich längst zu einem veritablen Krieg ausgewachsen. Die Zahl getöteter Hisbollahkämpfer übersteigt mittlerweile die aus dem Libanonkrieg 2006. Die mit Iran verbündete Huthimiliz hat das Rote Meer effektiv zur No-Go-Area für die westliche Handelsschifffahrt gemacht. Auch die US-geführte Militärkoalition konnte dieser Tatsache bislang wenig entgegensetzen. Die iranische Strategie besteht darin, für die Zeit der in Gaza tobenden Kampfhandlungen überall in der Region den Druck auf die USA und Israel zu erhöhen, dabei allerdings die ganz große Eskalation zu vermeiden. Zündeln, aber nichts abfackeln – dieser Teheraner Drahtseilakt scheint nun an sein Ende gekommen…

Der vollständige Beitrag – Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) – 04.04.2024
Beitrag auf Englisch: Signs of a storm