Demo-Verbote schützen uns nicht – Gerechtigkeit und Solidarität schon!
Ein offener Brief von jüdischen und israelischen Berliner*innen
Wir, in Berlin lebende Jüdinnen*Juden und Israelis, wollen unseren Einspruch gegen das Verbot aller palästinensischen Demonstrationen in der Stadt am vergangenen Wochenende und ähnliche Verbotsforderungen künftiger Demonstrationen zum Ausdruck bringen. Auch wir sind besorgt über die vor kurzem dokumentierten antisemitischen Vorfälle. Dieses pauschale Verbot jedoch, das auf Spekulationen über mögliche rechtswidrige Handlungen beruht, sehen wir als diskriminierend gegenüber der palästinensischen Minderheit in Deutschland und als besorgniserregenden Präzedenzfall, der unweigerlich auch andere marginalisierte Communities betreffen wird. Solche antidemokratischen Maßnahmen kommen einer kollektiven Bestrafung gleich und bieten uns als jüdische Berliner*innen keinen wirksamen Schutz.
Während die rechteste Regierung in der Geschichte Israels ihre brutale Besatzungspolitik verschärft, müssen Palästinenser*innen und ihre Unterstützer*innen das Recht haben, gegen diese Verletzungen des Völkerrechts zu demonstrieren, auch in Berlin. Natürlich dürfen selbst berechtigte Wut und Verzweiflung nicht zu Aufrufen zu Gewalt gegen Jüdinnen*Juden führen, und wir zählen darauf, dass unsere palästinensischen Partner*innen solche Äußerungen verurteilen und direkt einschreiten, falls sie auftreten.
Ein generelles Verbot aller palästinensischen Demonstrationen vertieft die Kluft zwischen unseren Communities nur noch mehr. Es macht jeden Dialog unmöglich und bekämpft nicht die eigentlichen Ursachen der Gewalt. Deshalb halten wir die Unterstützung des Verbots durch den Zentralrat der Juden in Deutschland für verfehlt und nicht repräsentativ für die Vielfalt der jüdischen Meinungen in Berlin.
Es beunruhigt uns, dass das Berliner Gericht in seiner Entscheidung auch ein Verweis von Demonstrierenden auf das Verbrechen der Apartheid gegen Palästinenser*innen als weiteren Grund für das Verbot von Demonstrationen anführt. Diese Argumentation diffamiert auf zynische Weise führende Menschenrechtsorganisationen und könnte sogar instrumentalisiert werden, um zahlreiche israelische Friedensaktivist*innen, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen auszugrenzen.
Da der 75. Jahrestag der Nakba, an dem der Vertreibung der Palästinenser*innen während des Krieges von 1948 gedacht wird, immer näher rückt, fordern wir die Berliner Behörden auf, ihre diskriminierende Politik zu beenden und künftige Demonstrationen zuzulassen, damit das Recht auf freie und rechtmäßige Meinungsäußerung für alle Berliner*innen – ob Palästinenser*innen, Jüdinnen*Juden oder andere – gewahrt bleibt.
Solidarität, der Schutz demokratischer Grundrechte hier und im Ausland, und gemeinsame Arbeit gegen alle Formen von Rassismus, einschließlich Antisemitismus, sind der einzige Weg vorwärts!
Unsere Sicherheit und unsere Freiheitsrechte hängen davon ab!
Hier der Brief auf Englisch einschließlich der Unterzeichner*innen
Dank an THE LEFT BERLIN für die Veröfentlichung des Briefes