Masha Gessen: „In Deutschland würde Hannah Arendt den Preis heute nicht erhalten“
Masha Gessen über das Debakel der Verleihung des Hannah-Arendt-Preises und den Essay im „New Yorker“, in dem Gaza mit einem jüdischen Ghetto unter NS-Herrschaft verglichen wird.
Guten Abend Masha Gessen, wie fühlen Sie sich gerade?
Etwas überwältigt, aber alles in allem gut.
An diesem Wochenende steht die Verleihung des Hannah-Arendt-Preises an Sie an. Die Bremer Niederlassung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft forderte, dass Sie den Preis nicht bekommen, die Heinrich-Böll-Stiftung zog sich daraufhin von der Preisverleihung zurück. Können Sie Ihre Sicht der Dinge schildern?
Ich sollte am Mittwochnachmittag von New York nach Bremen fliegen. Als ich aufwachte, erhielt ich eine Nachricht von einem der Organisator:innen des Preises, der mir mitteilte, dass die Heinrich-Böll-Stiftung ihre Zusage zurückgezogen habe und der Preis seinen Veranstaltungsort, das Bremer Rathaus, verlor.
Aber sie sagten auch, sie stünden zu mir und würden den Preis weiterführen. Ich glaube, im Moment ist noch nicht klar, ob das Preisgeld noch mit dem Preis verbunden ist. Ich habe kurz überlegt, ob ich überhaupt noch nach Bremen kommen soll. Aber ich dachte mir – wenn sie zu mir stehen, sollte ich auch kommen. Hier bin ich.
Die Zeremonie wird also wie gehabt stattfinden?
Es wird ein privates Abendessen geben. Am Samstagmorgen gibt es eine halböffentliche Veranstaltung, an der auch ein Politikwissenschaftler aus Bulgarien, Ivan Krastev, teilnimmt. Ich werde einen Vortrag halten und ich schätze, es wird eine Diskussion geben.
Ursprünglich sollte es eine Preisverleihung und eine Diskussion an der Universität geben, die es jetzt aber nicht mehr geben wird. Die Universität Bremen scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass so eine Veranstaltung gegen die rechtlich nicht-bindende BDS-Resolution verstoßen würde? Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht sicher, gegen was es genau verstoßen soll…
Hier das vollständige Interview – Frankfurter Rundschau – 15.12.2023