Aktuelle Veranstaltungen, Aktionen und Kampagnen zu Palästina

Aktuelles zu Gaza

„Ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker“

Fünf Fragen an Jochen von Bernstorff

Vor rund einer Woche einigten sich die Hamas und Israel auf die erste Phase des US-Friedensplans. Die Kämpfe wurden eingestellt, Geiseln freigelassen, Gefangene entlassen. Inzwischen droht Israel, die Kämpfe wieder aufzunehmen, wenn sich die Hamas nicht an den Waffenstillstand hält und nicht sämtliche Überreste der verstorbenen Geiseln übergibt. Der 20-Punkte-Plan reicht weit, von humanitärer Hilfe über Sicherheitsfragen bis hin zu Verwaltung und „Selbstbestimmung“. Doch wie belastbar ist dieses Abkommen im Lichte des Völkerrechts – und was kann es in einem so ungleichen Konflikt leisten? Das haben wir Jochen von Bernstorff gefragt, Professor für Staatsrecht, Völkerrecht, Verfassungslehre und Menschenrechte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

1. Friedensplan, Waffenstillstand und Friedensvertrag – in der öffentlichen Debatte sind diese Begriffe gerade in aller Munde. Können Sie erklären, was diese Begriffe im Völkerrecht eigentlich bedeuten und wie sie sich unterscheiden? 

Ein Friedensplan kann ein völkerrechtlicher Vertrag sein, muss es aber nicht. Präsident Trumps 20-Punkte-Plan in seiner öffentlich zugänglichen Form ist nicht als völkerrechtlicher Vertrag formuliert, sondern eben nur ein politischer Vorschlag des US-Präsidenten, dem zunächst der israelische Regierungschef Netanyahu und dann weitere Staatenvertreter beigepflichtet hatten. Ob dahinter noch nicht veröffentlichte und völkerrechtlich verbindliche Abreden von der US-Administration mit einzelnen oder mehreren Staaten getroffen wurden, ist bislang nicht einsehbar. Selbst die teilweise Zustimmung von einzelnen palästinensischen Vertretern – die unter der zumindest impliziten Androhung massivster Gewaltanwendung erfolgte – macht aus dem Plan selbst keinen völkerrechtlichen Vertrag. Das ganze Vorgehen Präsident Trumps ist eher durch die Abwesenheit von völkerrechtlicher Verbindlichkeit und von Missachtung der auf den Konflikt anwendbaren Regeln des Völkerrechts geprägt. Ein Friedensvertrag zwischen Israel und Palästina ist auch für die Zukunft gerade nicht geplant. Auch der im Plan vorgesehene Waffenstillstand ist nur eine faktische Einstellung von Kampfhandlungen als Voraussetzung für einen Gefangenenaustausch. Damit ist aber weder die Anwendung des Besatzungsrechts in Gaza noch der zugrundeliegende internationale bewaffnete Konflikt beendet worden…

Vollständiger Beitrag – Verfassungsblog – 17.10.2025