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Merz’ erster Besuch bei Netanjahu steht für Zögern. So verspielt der Kanzler eine wichtige Chance auf glaubwürdige Israel-Politik.

Der erste offizielle Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Israel hätte ein klares Zeichen für Deutschlands prinzipientreue Führungsrolle in einer Zeit setzen sollen, in der internationale Normen stark unter Druck stehen. Stattdessen offenbarte der Besuch eine beunruhigende Kluft zwischen Deutschlands erklärten Verpflichtungen zu Menschenrechten und Völkerrecht auf der einen Seite und seiner Politik gegenüber der offensichtlichen Verletzung dieser Prinzipien durch die israelische Regierung auf der anderen Seite. Der streng kontrollierte 24-Stunden-Zeitplan, der sich auf hochrangige israelische Beamte und symbolträchtige Orte beschränkte, vermittelte nicht Entschlossenheit, sondern Ausflüchte. Was der Kanzler nicht sehen wollte, war ebenso bedeutsam wie das, was auf dem Programm stand.

Das folgenreichste Signal war seine Entscheidung, sich an die Seite eines Regierungschefs zu stellen, gegen den der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hat. Unabhängig von den diplomatischen Kalkülen Berlins trägt der öffentliche Auftritt mit einem vom IStGH gesuchten Amtsträger, ohne die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber dem Gerichtshof zu bekräftigen, direkt zur Normalisierung dieser mutmaßlichen Verbrechen bei. Es verstärkt das Klima der Straflosigkeit, das Israels groß angelegte Tötung palästinensischer Zivilisten, die Zerstörung von Gemeinden und die Verweigerung grundlegender Schutzmaßnahmen im Gazastreifen und im Westjordanland ermöglicht hat. Der IStGH ist keine symbolische Institution, sondern die letzte Instanz für Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen. Wenn demokratische Staaten seine Autorität als Ermessenssache behandeln, untergraben sie genau die Struktur, die Zivilisten weltweit, nicht nur in Israel bzw. Palästina, schützen soll.

Vollständiger Beitrag – Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) / Yoav Shemer-Kunz – 11.12.2025