Deutschlands Gaza-Kehrtwende kommt 56.000 Tote zu spät
Wenn deutsche Politiker jetzt auf einmal beginnen, Israels Vorgehen in Gaza zu kritisieren, dann nur, um zu kaschieren, wie sehr sie und die gesamte Erinnerungskultur versagt haben. Doch Deutschlands Mitschuld ist unauslöschlich.
Als der frisch ernannte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz am 12. Mai 2025 den israelischen Präsidenten Isaac Herzog in Berlin empfing, um das sechzigjährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zu feiern, lag die Zahl der im andauernden israelischen Militäreinsatz getöteten Palästinenser nach jüngsten Bemessungen bei 52.800 – die meisten davon Frauen und Kinder.
Wer das Ausmaß der Grausamkeit in Gaza begreift, konnte dieses Ritual der Sympathie und des guten Willens vor dem Hintergrund ausgemergelter Babys, verkohlter Kleinkinder, exekutierter Sanitäter und vernichteter Familien nur als Obszönität und Zurschaustellung beispielloser Straflosigkeit ansehen.
Schließlich veröffentlichte die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) am selben Tag einen Bericht, der zeigte, dass 470.000 Menschen in Gaza von katastrophalem Hunger (IPC Phase 5) betroffen waren und die gesamte Bevölkerung unter akuter Ernährungsunsicherheit litt. Der Bericht prognostizierte zudem, dass alarmierende 71.000 Kinder und mehr als 17.000 Mütter dringend wegen akuter Unterernährung behandelt werden müssten. Dies war bei Herzogs Besuch selbstredend kein Thema…
Vollständiger Beitrag – Jacobin – 03.06.2025