Berlin: Stoppt das Morden
Donnerstag, 24. Juli 2014 – 19:00 Uhr – Kottbusser Tor
Ihr habt euch sicher schon gefragt was die letzten Tage bei uns los war. Bei uns war Sommerloch und der Laden läuft auf Sparflamme. Während modernste lasergesteurte Raketen im Gaza-Streifen die ersten Zivilisten zerfetzten lagen wir zugedröhnt in Parks, am Baggersee und auf Hip-Hop-Festivals rum und liessen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Während die israelische Armee eine Bodenoffensive vorbereitete waren wir damit beschäftigt unsere Soliparty vorzubereiten.
Als das schlechte Gewissen uns fast auffraß besuchten wir diverse Solidaritätsdemonstration für den Gaza-Streifen in Berlin und waren so erschrocken über deren reaktionären politischen Gehalt das wir uns schnell wieder trollten. Eine Beteiligung an diesen Demos als antiimperialistische und internationalistische Gruppe in Form von „revolutionären Blöcken“ konnten wir uns nicht vorstellen. Sprachlos hat uns auch der Irrsinn und die heftigkeit der Innerlinken Debatte gemacht, hatten wir doch in den vergangen Jahren das Gefühl gehabt das zumindest innerhalb der deutschen Linken was Israel und Palästina angeht ein wenig „abgerüstet“ worden ist.
(Mehr hier: http://de.indymedia.org/2007/06/186388.shtml).
Doch auf einmal steht scheinbar eine ganze Generation junger Antifas wieder Gewehr bei Fuss um den – in ihren Augen – „bewaffneten Versuch der Juden den Kommunismus leben zu erreichen“ gegen Kritik von Links zu verteidigen. Zu mehr als dem Teilen eines lesenswerten Beitrages des „Lower Class Magazin“ zur Debatte waren wir jedoch nicht im Stande. Zusammen mit unseren kurdischen und türkischen Genoss_innen, die sich auf den „breiten“ Palästinademos unter Erdogan-Bildern und „Jude, Jude, feiges Schwein“-Rufen genauso unwohl fühlen wie wir haben wir uns jetzt entschlossen am kommenden Donnerstag in Kreuzberg den Versuch zu wagen eine linke und internationalistische Position zu den Morden im Nahen Osten auf die Strasse zu tragen. In Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften im Nahen Osten und deren Widerstand gegen die israelischen Militäroffensive im Gaza-Streifen und die Angriffe der islamistischen ISIS-Miliz auf die kurdischen Siedlungsgebiete in Syrien und deren basisdemokratische Selbstverwaltungsstrukturen. Gegen Imperialismus, Nationalismus, Antisemitismus und religiösen Fundermentalismus. Wir hoffen auf eurer zahlreiches Erscheinen.
Donnerstag / 19 Uhr / Kottbusser Tor
Stoppt das Morden – Das Schweigen brechen
und weitere Bilder der Kundgebung
Bericht von Arab:
Stoppt das Morden in Gaza und Kobane
Die Aufgabenstellung war schwierig, das Gelände ist, hinlänglich bekannt, vermint. Aus diesem Grund schlossen wir uns dem Aufruf der türkischen Genossinen und Genossen an, die für den gestrigen Donnerstag zu einer Solidaritäts-Kundgebung mit der palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen und den von der ISIS bedrohten progressiven Kräften in der kurdischen Enklave Kobane mobilisierten.
Bei strömendem Regen fanden über 300 Menschen zum Kottbusser Tor, die sich einer eindeutig linken Kritik an Israel anschließen konnten und Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften in Israel, Palästina und Kurdistan zeigen wollten.
Schon zu Beginn machten die Redner klar, dass man sich von den antisemitischen Ausfällen der letzten Tage auf ähnlich gelagerten Veranstaltungen eindeutig distanziere. Die Kritik richtete sich eindeutig gegen die imperialistische Politik des Staates Israel und seiner rechtskonservativen Regierung, die mit aller Macht und seit mehreren Jahrzenten das Bestreben der Palästinenser nach einem würdevollen Leben unterdrückt. Mehrfach wurde erklärt, dass man auf der anderen Seite auch mit der reaktionären, terroristischen und fundamentalistischen Hamas-Bewegung nicht einverstanden sei und stattdessen mit den fortschrittlichen Kräften der Region zusammen arbeiten müsse. Martin von der NAO erinnerte an die Angriffe auf Friedensaktivisten in Israel durch israelische Faschisten und mehrere Teilnehmer aus Israel machten darauf aufmerksam, dass es auch in Israel selbst einen Widerstand gegen die nationalistische Regierung Benjamin Netanjahus gibt.
Nick Brauns vom Kurdistan-Solidaritätskomitee lenkte den Blick auf die progressiven Kräfte in Nordsyrien, die mit ihren selbstverwalteten, ökologischen und emanzipatorischen Kommunen derzeit unter heftigen Attacken der ISIS zu leiden haben.
Mehrere Redner stellten den Zusammenhang her zwischen dem Krieg im Nahen Osten und dem herrschenden Wirtschaftssystem, wobei jedem klar sein muss, dass die Probleme im Endeffekt Kapitalismus, Nationalismus und Imperialismus heißen, die zu solchen Krisensituationen wie im Nahen Osten führen und davon profitieren. Die Opfer dieser Krisen ist immer die Zivilbevölkerung, sind immer die Menschen, weswegen fast jeder Redebeitrag mit einem Hoch auf die internationale Solidarität endete.
Gegen Ende der Veranstaltung wurde die Lage kurz unübersichtlich. Mehrere anwesende Kinder stimmten Sprechchöre an, die sie wohl in den letzten zwei Wochen auf den einschlägig bekannten Demonstrationen gelernt hatten. Nur dem Einschreiten einiger besonders engagierter und pädagogisch begabter Genossen ist es zu verdanken, dass die Kinder und Jugendlichen ihren Vorrat an Sprechchören beträchtlich aufstocken konnten und am Ende sogar „A-Anti-Kapitalista“ skandiert wurde.
Leider löste der Veranstalter durch eine Unachtsamkeit die Veranstaltung schon gegen 19:45 auf, worauf die Berliner Polizei per Lautsprecherdurchsage die Teilnehmer der Kundgebung zum Verlassen des Platzes aufforderte. Mehrere Versuche die Kundgebung wieder anzumelden oder sogar eine Spontandemo zu erwirken, scheiterten an der Weigerung der Berliner Polizei, die nach eigener Aussage von einer „exzessiven Auslegung des Versammlungsrechts“ Gebrauch machte. Zwar wurde der Versammlungsort auch nach mehreren Durchsagen der Polizei nicht gewaltsam geräumt, doch besetzten nach und nach immer mehr Polizisten den Platz und stellten sich provokant in die Mitte der Kundgebungsteilnehmer. Diese bewahrten allerdings die Ruhe, so dass die Veranstaltung gegen 21 Uhr friedlich beendet wurde.
Aufgrund der organisatorischen Mängel, dass zum Beispiel im Vorfeld keine Demonstration angemeldet wurde und darum eben kein Aufzug stattfinden konnte und dass die Anlage für die Redner definitiv zu klein war, kann man leider nicht von einem durchschlagenden Erfolg sprechen. Allerdings zeigte die Kundgebung auch, dass doch weit mehr Menschen an einem eigenen linken Standpunkt gegenüber der Situation im Nahen Osten interessiert sind. Insofern gibt es Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch ein fortschrittlicher Standpunkt in diesem hochemotionalen Konflikt Gehör verschaffen könnte, jenseits von Nationalstaatenlösungen und religiösem Fundamentalismus.
Ein Anfang, mehr war die Kundgebung gestern nicht, aber immerhin ein Anfang.