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Peter Ullrich‘s Stück vom Kuchen der Staaträson: Über den Genozid darf nicht gesprochen werden

Während Millionen von Menschen in der Welt die Bilder aus den USA beobachten und sehen, wie Schauspieler*innen, Regisseur*innen, Aktivist*innen aus vergangenen Protesten und andere Intellektuelle vor den Protestierenden sprechen und ihnen Mut machen, sagen deutsche Akademiker*innen nicht nur kein Wort dazu, sondern laufen angsterfüllt mit der Staatsräson mit. Wir sehen wie Professor*innen von der US- amerikanischen Polizei verhaftet werden, weil sie ihre Student*innen beschützen, wir sehen wie sie auf die Straße und in den Protestcampen dabei sind, während deutsche Akademiker*innen israelische Kriegsverbrecher an  ihre Universitäten zu Festvorträgen einladen.

Symptomatisch dafür ist das Interview mit Peter Ullrich, Soziologe und Antisemitismusforscher in der taz vom 02.05.2024. In kolonialer Tradition spricht er über Jüd*innen und Palästinenser*innen, statt mit ihnen. Sie sind für ihn keine Subjekte, sondern Objekte, die er funktionalisieren kann, und über die er sich als vermeintlich neutraler Diskurswächter aufschwingt. Dabei weiß die kritische Wissenschaft schon längt, dass es keinen „neutralen Blick von nirgendwo“ gibt. Seine Nähe zur Staatsräson wird u.a. auch daran sichtbar, dass er an keinem Punkt von dem Anlass aller Proteste spricht: Nämlich dass es plausible Anhaltspunkte für einen Genozid an Palästinser*innen gibt, so der IGH, und dass dies Grund genug sein müsste, das Schweigen der Universitäten (abgesehen vom Aufruf von 250 deutschen Wissenschaftler), der Kunsteinrichtungen, der deutschen NGOs, etc. anzuprangern. Stattdessen spricht er nur von einem „sich verfestigenden Antagonismus“ statt einem von ihm geforderten Universalismus: „ Man verfestigt hier Antagonismen, anstatt eine dritte Position einzunehmen, die es für eine Friedenspolitik bräuchte. Dieser Maximalismus trägt dazu bei, dass die Bewegung extrem unempfänglich auch für solidarische Kritik ist und die Reflexion scheut.“ Wie bitte? Die Frage des Genozids als eine Frage des Antagonismus? Gilt das für jeden Genozid und nur für den an Palästinenserr*innen? Also zwischen pro- und contra – Genozid soll es eine dritte Position geben, vielleicht „ein bisschen Genozid“ geben? Sollte Ullrich es anders gemeint haben, so bleibt jegliche inhaltliche Klärung, was der Antagonismus sein soll aus. Ein „both-sidism“ (also der krampfhafte Versuche, es beiden Seiten recht zu machen), ist das schwächste was die Wissenschaft anbieten kann, wenn sie nicht mit transparenten und nachvollziehbaren Kriterien arbeitet, wie es hier Ullrich tut. Die Schutzpflicht einen Genozid zu verhindern, wie es der IGH jetzt schon drei Mal artikuliert hat, scheint für Ullrich keine Forderung des Universalismus zu sein…

Vollständiger Beitrag – Die Freiheitsliebe – 08.05.2024